Die historisch-kritische Theologie glaubt, schlauer zu sein als die Bibel. Sie hält sich für die Instanz, die sagen kann, welche Texte in der Bibel «stimmen» und welche nicht.
Thomas Lachenmaier
25. November 2017

Die Bibel enthalte Gottes Wort, sie sei aber nicht Gottes Wort, also Heilige Schrift. Besonders das Alte Testament gilt ihnen als wenig zuverlässig. Die Schöpfungsgeschichte, die historischen Berichte: Das gelte es zu relativieren. Manche versteigen sich gar zu der Auffassung, das Alte Testament könne man aus dem Kanon der Bibel streichen. Da stellen sich grundsätzliche Fragen: Wie stehen wir zur Bibel? Kann man Christ sein, ohne an das «Alte» wie an das «Neue» Testament zu glauben? Kann man dem Neuen Testament vertrauen und dem Alten misstrauen?

Der Jerusalemer Pastor Chuck Cohen, Leiter der Gebetsbewegung «Fürbitter für Israel» (Intercessors for Israel), legt dar, warum die Bibel als Ganzes Gottes Wort ist. Er verweist zunächst auf 2. Tim. 3,15–17, wo gesagt ist, dass alle Schrift von Gott eingegeben ist. Hier ist natürlich vom Alten Testament die Rede, das Neue gab es ja noch gar nicht. Die Autoren des Neuen Testaments verweisen auf das Alte, um die Wahrhaftigkeit des Neuen zu begründen. Jesus bezieht sich laufend auf «die Schrift», das Alte Testament. Mit ihm begründet er seine Identität als Messias, als Gottes Sohn.

Pfarrer Chuck Cohen schreibt dem, der meint, sich über die Bibel als ganze Heilige Schrift erheben zu können, ins Stammbuch: «Mache mal folgendes aufschlussreiche Bibelstudium: Gehe allen neutestamentlichen Verwendungen des Wortes ‹Schrift› nach und setze dafür ‹Altes Testament› ein. Das ist es, worauf sich historisch gesehen das Neue Testament bezieht. Dann frage dich, ob du wirklich glaubst, was das Neue Testament über den Tanach (die hebräische Bibel, das Alte Testament) feststellt. Falls du das nicht glaubst, frage dich, weshalb du dich als neutestamentlichen Gläubigen bezeichnest, wenn du diesem äusserst grundlegenden Beweis nicht glaubst, dass das Neue Testament das Wort Gottes ist – nämlich die Fortsetzung und Erfüllung der einzigen Schriften, die die Gemeinde im Neuen Testament besass? Es ist einfach. Wenn du nicht glaubst, dass der ganze Tanach immer noch Gottes Wort ist, dann glaubst du auch nicht an das Neue Testament.»

Chuck Cohen hat recht. Die dem Alten Testament nicht vertrauen, glauben auch nicht, wenn es um die Auferstehung Jesu und die Himmelfahrt geht. Die Frage, ob wir dem Alten und dem Neuen Testament vertrauen, ist die Frage, ob wir Gott vertrauen.

(Artikel aus factum 8/2017)