Viele Jahre lang galt Indonesien als Beleg dafür, dass anderen Religionen auch in einem mehrheitlich islamischen Land mit Toleranz begegnet werden kann. Seit der Muslim Anies Baswedan die Gouverneurswahl in der Hauptstadt Jakarta gewonnen hat, nimmt die Bedrohung von Christen bedrohliche Ausmasse an.
factum-Redaktion
16. Juni 2017

Anies Baswedan hat die Stichwahl gegen den christlichen Amtsinhaber Basuki Tjahaja Purnama gewonnen (das amtliche Endergebnis wird erst im Mai erwartet). Purnama war vom islamischen Kandidaten vorgeworfen worden, er habe sich abfällig über den Koran geäussert. Er muss sich jetzt vor Gericht verantworten, ihm drohen fünf Jahre Haft.

Der Asienexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius, erklärte, Indonesien befinde sich «in einem gefährlichen Fahrwasser». Er zeigte sich besorgt über die wachsende Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten. Die Entwicklung sei «dramatisch». Anies Baswedan, der sich offiziell immer als «liberalen Muslim» bezeichne, habe systematisch auf die Kooperation mit radikalen Muslimen gesetzt. Auch Indonesiens Staatspräsident Joko Widodo lobe nun den Islam, um den Extremisten zu gefallen, sagte Delius. Diese gewinnen immer mehr an Einfluss, investierten in Bildung und Erziehung. Ulrich Delius: «Sie denken in langen Zeitperioden und unterwandern das System immer mehr.»

(Artikel aus factum 4/2017)