Vor 800 Jahren wollten die Erbauer der Kathedrale Notre-Dame in Paris mit der planvollen Schönheit und Erhabenheit des Bauwerks ihrer Ehrfurcht vor der Grösse und Heiligkeit Gottes eine architektonische Entsprechung geben. Ein Feuer hat dieses Gotteshaus verzehrt. Die «Grande Nation» ist erschüttert. Weiss sie, über was sie erschüttert sein sollte?
Thomas Lachenmaier
11. Mai 2019

Anders als die Menschen, die Notre-Dame gebaut haben, denkt im bis auf die Knochen atheistischen Frankreich kaum noch jemand in den Kategorien von Ehrfurcht und Heiligkeit über Gott.

Das Ereignis wirkt wie symptomatisch für den Niedergang des Christentums in Frankreich, in ganz Europa. Das Feuer sollte das Augenmerk darauf lenken, dass – wie Raymond Ibrahim vom «Gatestone Institute» in einem Artikel berichtete, der am Tag vor dem Brand erschien – «in Frankreich im Durchschnitt jeden Tag zwei Kirchen geschändet werden». Dies, ohne dass dies für nennenswerte Empörung sorgen würde. «Wann und wo haben Sie zum ersten Mal von der wachsenden Plage massiver Kirchenschändungen in Europa gehört?», fragt die Autorin Nina Rosenwald. Im Februar hatte das «Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians in Europe» in Wien einen Bericht über die massenhaften Fälle von Angriffen auf Kirchen, Vandalismus und Brandstiftungen veröffentlicht.

Gemäss einer Statistik des französischen Innenministeriums kam es 2017 zu fast 1000 Anschlägen auf religiöse Einrichtungen, 90 Prozent davon gegen christliche. 2018 gab es eine Zunahme von 17 Prozent, 1063 Attacken. Die Berichterstattung über die Angriffe auf Kirchen ist zurückhaltend. Für die Direktorin der erwähnten Beobachtungsstelle, Ellen Fantini, kommt in den Taten eine zunehmende antichristliche Feindseligkeit zum Ausdruck. Notre-Dame soll wieder aufgebaut werden, wogegen nichts einzuwenden ist. Und doch, so ein Freund: «Der Fassade ist man bereit, die Ehre zu geben. Aber dem Inhalt nicht.» Über allem steht das Kreuz, das zur Umkehr ruft. Es überdauerte auch in Notre-Dame das Feuer.

Meldung aus factum 04/2019.