Der Deutsche Bundestag hat das «Netzwerkdurchsetzungsgesetz» beschlossen. Mit horrenden Bussgeldern von bis zu 50 Millionen Euro werden jetzt soziale Netzwerke wie Facebook, WhatsApp und Twitter genötigt, sogenannte «Hass-Botschaften» zu löschen. Auch das Leitungspersonal wird mit Strafen in Millionenhöhe belangt. Das Gesetz stellt einen erheblichen Eingriff in die Meinungsfreiheit dar (siehe factum 4/2017, S. 14–16).
Thomas Lachenmaier
20. September 2017

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte das Gesetz sowohl für verfassungs- als auch für europarechtswidrig bezeichnet. Es wurde nur unwesentlich modifiziert. Noch vor der Abstimmung hatte der UN-Sonderbeauftragte für Menschenrechte, David Kaye, das Gesetz als völkerrechtswidrig bezeichnet: «Die auf private Unternehmen verlagerte Verantwortung, die Inhalte Dritter ohne gerichtliche Überprüfung zu entfernen, ist nicht mit den internationalen Menschenrechten vereinbar.» Im Vorfeld gab es zwar Kritik an dem Gesetz, aber sie verhallte ohne grössere öffentliche Resonanz – und letztlich ohne Wirkung. So hatte der renommierte Publizist Wolfram Weimer, Gründer des politischen Magazins «Cicero», vor einem «Zensur- und Überwachungsstaat mitsamt Wahrheitsministerium» gewarnt, der darüber befindet, was Wahrheit, was Lüge und was Hasskommentar ist. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des «Springer Verlages», fand deutliche Worte: «George Orwell war harmlos dagegen. Ich habe den Eindruck, dass gerade ein paar Grundprinzipien freiheitlicher Gesellschaftsordnung mit Füssen getreten werden. Viele böse Dinge dieser Welt begannen im Namen der guten Absichten. Die gute Absicht heilt den Bruch eines Prinzips nicht. Was Wahrheit ist, definiert keine Regierung, auch nicht Facebook. Und was den Menschen zuzumuten ist, sollten nicht Zensurbehörden definieren.» Die Löschung auch harmloser Beiträge ist an der Tagesordnung. So sperrte Facebook zeitweilig den Zugang des Chefredakteurs einer Tageszeitung, weil er eine Karikatur veröffentlicht hatte, mit der die «Ehe für alle» verspottet wird.

(Artikel aus factum 6/2017)