Dank rückt die Dinge ins rechte Lot. Wer das Danken in sein Leben integriert, wird gute Erfahrungen machen. Danken macht die Sorgen kleiner und die Freuden grösser.
Thomas Lachenmaier
21. Juli 2019

Wer danken kann, kann auch leben. Zwei Professoren, Robert A. Emmons von der Universität von Kalifornien in Davis und Michael E. McCullough von der Universität von Miami, baten jeweils zwei Studentengruppen, Tagebuch zu führen. Die einen wurden gebeten, einfach die Ereignisse des Tages aufzuschreiben. Die Vergleichsgruppe wurde gebeten, aufzuschreiben, wofür sie an diesem Tag dankbar waren. Die Unterschiede in den Auswirkungen auf die Tagebuchschreiber waren statistisch signifikant: Diejenigen, die ihren Fokus auf die Gründe für Dankbarkeit legten, waren in der Folge wesentlich glücklicher, optimistischer und ausgeglichener. Warum hat es so starke Auswirkungen auf das seelische Erleben, wenn Menschen das Augenmerk auf das Dankenswerte lenken?

Nicht zu danken lenkt den Blick auf einen selber. Man fokussiert auf das, was man gemacht hat, was gelungen und misslungen ist, was einem widerfahren ist. Man steht selbst im Zentrum. Das Interesse auf das Erlebte zu lenken – es sei gut oder schlecht –, rückt den in den Blick, dem das widerfahren ist. Es ist wie ein Blick in den Spiegel. Was ist mir geschehen? Passt mir das? Ist das gut für mich oder schlecht? Nicht zu danken fördert die Egoperspektive. Wer dagegen den Dank in den Blick nimmt und das Danken nach vorne rückt, der blickt von sich weg.

Nicht das, was man Tolles geschafft hat oder wo einem etwas misslungen ist, steht im Vordergrund. Wer dankt, rechnet automatisch mit einer Ebene der Existenz, die das Eigene und auch das Materielle übersteigt, mit etwas Geistigem. Dank fragt ganz automatisch: «Wohin mit dem Dank?», sucht einen Ansprechpartner, sucht den Adressaten für den Dank. Das Transzendente wird Teil des seelischen Erwartungsraumes, wenn man dankt. Man rechnet mit etwas anderem als nur der eigenen Existenz und ihrem Erleben. Der Bezugspunkt wird ein anderer und der Massstab, mit dem man das Erlebte anschaut und bewertet, verändert sich. Es kultiviert sich eine Haltung, die das grosse Gegenüber des Menschen in den Blick nimmt. Man ist nicht allein auf der Welt. Es gibt ein Woher und es gibt ein Wohin.

Das Eingebundensein in etwas, das grösser ist als man selbst, rückt in den Blick. Die eigene Existenz ist dem Dankenden nicht länger das Zentrum. Wer seinen Dank formuliert, dem wird auch schnell bewusst, dass er mit diesem Dank nur zu jemandem kommen kann, der ganz anders und grösser ist als man selbst. Dieser, dem der Dank offenbar gebührt, muss grösser sein, ja, heilig. Er muss von ewiger Existenz sein – und allmächtig. Ist er nicht der, der uns geschaffen hat? Und wenn ich ihm danke, ist er denn dann nicht auch väterlich, barmherzig und gnädig? Niemand kommt mit seinem Dank zu einem Tyrannen.

Die Bedeutungsschwere des eigenen Gelingens und Misslingens relativiert sich dem Dankenden. Die Welt dreht sich nicht um einen selber. Es gibt offenbar etwas Wichtigeres, etwas Grös-seres als das eigene Erleben, auch als die eigenen Sorgen. Und die Freuden: Sie werden durch den Dank erst recht gross: Wie wunderbar, dass ich das erleben durfte! Hab Dank! Danken macht die Sorgen kleiner und die Freuden
grösser.

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 05/2019.