Das Herz ihres ungeborenen Babys hörte in der 13. Schwangerschaftswoche auf zu schlagen. Eine reguläre Bestattung war nicht möglich. Sharran Sutherland suchte nach einem Ausweg.
Stefan Frank
25. Juli 2020

Das Herz von Sharran Sutherlands Baby hörte in der 13. Woche auf zu schlagen. Die Ärzte drängten die 40-jährige Frau aus Fair Grove, im US-Bundesstaat Missouri, ihr totes Kind chirurgisch entfernen zu lassen. Einer der Ärzte sprach von dem gestorbenen Baby als «medizinischem Abfall», der mit dem Krankenhausmüll zu entsorgen sei. Doch Sharran Sutherland wollte nicht, wie sie der Reporterin Miranda Larbi sagte, die über den Fall in britischen Medien berichtete, dass ihr Kind «in Stücken» auf die Welt kommt. Sie entschied sich für eine natürliche Geburt, 173 Tage vor dem vorher errechneten Termin.

Sutherland hat der Geburt ihres toten Sohnes einen ausführlichen Eintrag auf ihrer Facebookseite gewidmet, dazu hat sie Fotos gestellt. Der Nutzer muss sie erst freischalten, um sie anzusehen; Facebook warnt, dass «einige Nutzer» die Fotos «unangemessen» finden könnten. Sutherland schreibt: «Am 23. April 2018 gebar ich um 14.02 Uhr unseren kleinen Jungen Miran J. Sutherland. Meine Schwangerschaft hatte nur 15 Wochen gedauert; sein kleines Herz hatte um die 13. Woche herum aufgehört zu schlagen. Er wog 26 Gramm und war vier Zoll (10 cm) gross. Wir durften ihn in Händen halten, Fotos machen und ihn mit nach Hause nehmen.» Das gab dem Paar Gelegenheit, ihr tot geborenes Kind genau zu betrachten, bevor sie es dann beerdigten. Als sie die Beerdigung organisieren wollten, erfuhren sie, dass eine Bestattung auf einem Friedhof rechtlich nicht möglich sei. In ihrer Bestürzung suchten sie nach einem Ausweg. «Was sollen wir jetzt machen?», fragten sie sich.

Sie entschieden sich, ihr Baby im Garten zu beerdigen, der zu ihrer Mietwohnung gehörte. Aber dann kam ihnen der Gedanke: «Was, wenn wir umziehen?» So entschlossen sie sich schweren Herzens, ihren Miran in einem grossen Blumentopf mit einer Hortensie zu beerdigen und ihn später, sollten sie einen eigenen Garten haben, da zu bestatten. Zuvor aber verabschiedeten sie sich von ihrem Baby. «Es gibt diese Baby-Bücher, die Zeichnungen von einem Baby in der Gebärmutter zeigen, doch er sah nicht aus wie irgendetwas, das ich je gesehen hatte. Ich war so mit Ehrfurcht und Staunen erfüllt. Er hätte nur weiter reifen und wachsen und sich entwickeln müssen. Es hat mich umgehauen. Es war ein unglaubliches Gefühl. Es ist wirklich schwer zu beschreiben. Obwohl er gestorben war, wurde mir die Chance gegeben, mein Baby zu halten. Diese Sehnsucht wurde gestillt. Dafür war ich dankbar. Es war etwas, das ich nicht begreifen konnte.»

Ungeborene Babys, sagt Sutherland, würden «entmenschlicht»; die Art, wie Föten betrachtet werden, beeinflusse nicht nur Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden, sondern auch Mütter, die ihr gewünschtes Baby verlieren. «Wenn eine Frau ihr ungeborenes Kind verliert, ist sie nicht in der Lage, auf dieselbe Weise zu trauern wie eine Frau, die ein Baby geboren hat, das nach der Geburt stirbt.» Darüber werde in unserer Gesellschaft nicht gesprochen. «Wenn eine Frau ihr ungeborenes Baby verliert, dann ist das fast so, als gehöre es sich nicht, darüber zu reden. Eine Frau macht das alleine durch, und ich glaube, dass das daran liegt, dass andere es nicht als menschlich, als ein Baby, betrachten.» Die Frau leide darum doppelt: daran, dass sie nicht in der Lage war, ihrem Baby Leben zu geben, und daran, dass sie es nicht als Baby anerkennen könne.

Wie sie und ihr Mann dann weiter verfuhren, beschreibt Sutherland auf Facebook so: «Ich kaufte eine kleine Schachtel, malte sie an und klebte Psalm 139,14 hinein (‹Ich danke dir dafür, dass ich erstaunlich und wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke, und meine Seele erkennt das wohl!›), zusammen mit Abdrücken seiner Hände.» In dieser Schachtel wurde Miran beerdigt. Doch vorher schauten Sharran Sutherland und ihr Mann ihn immer wieder gründlich an. «Er war ein Baby, ein sehr winziges Baby. Er hatte alles, was du und ich haben, er musste nur reifen. Er war kein Klumpen Gewebe, er war nicht nur ein Fötus, er war ein menschliches Wesen, dessen Lebenszyklus zu früh endete.»

Warum entschied Sharran Sutherland sich, Fotos von ihrem toten Baby zu machen und sie auf Facebook zu stellen? Mittlerweile gibt es über 7000 Nutzerkommentare zu dem Eintrag und den Fotos. Viele sprechen Sutherland Trost zu und danken ihr, aber es gibt auch zahllose Kommentare, in denen sich Hass spiegelt: Hass auf Sutherland, Häme und Verachtung, Hass auf Christen. Sutherland entfernt keinen davon. Sie sagt: «Ich teile die Bilder meines schönen kleinen Jungen mit aller Welt, weil jeden Tag Babys, die so klein sind wie er, getötet werden, weil die Leute angelogen werden und glauben, dass es kein Baby sei, das sie abtreiben, sondern bloss ein Klumpen Gewebe und Zellen (...) Es habe kein Recht zu leben. Das ist einfach nicht der Fall.»

Sie zählt auf, was Babys in Mirans Entwicklungsstadium bereits alles können, wie sich die Organe, Fingerabdrücke und Zehennägel entwickeln, wie sie Schmerz empfinden und nach zwölf Wochen Schwangerschaft lächeln können. «Wer hat das Recht zu sagen, an welchem Zeitpunkt ein menschlicher Lebenszyklus beendet werden kann? Wie kann eine Person nicht nur meinem kleinen Jungen Menschlichkeit absprechen, sondern allen Babys, die so jung sind und auf so schreckliche Art getötet werden?»

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 04/2020.