Die Alternative zum «starken Staat», der nach Kontrolle strebt und vorgibt, moralisch zu handeln, ist die Anerkennung der Autorität Gottes. Nur diese Herrschaft der Liebe gewährt Freiheit und Würde.
Thomas Lachenmaier
19. April 2016

Gerne erinnere ich mich an den 2012 verstorbenen Ökonomen und Freiheitsdenker Roland Baader. In den Jahren vor seinem Tod hatte ich zwei Interviews mit ihm geführt und Texte von ihm für factum redigiert. Seine Worte hatten etwas Robustes. Er war konfliktbereit. Das nur scheinbar Höfliche von manch heutiger Rede, was oft genug nur von der Verwechslung von Prinzipienlosigkeit mit Toleranz herrührt, war Roland Baader ganz fremd. Jetzt erschien ein Buch mit Auszügen aus verschiedenen Buch- und Zeitschriften-Veröffentlichungen von ihm.  Anders als die Theoretiker der Schuldenwirtschaft und des Genderismus fand er klare Worte für seine Gedanken, die er oft zu Bonmots wie diesem verdichtete: «Sozialismus ist ein Überfluss an Staat. Das bleibt dann der einzige Überfluss.»

Baader war der festen (christlichen) Überzeugung, dass Nächstenliebe eine individuelle Kategorie, eine Sache des persönlichen Gewissens ist – und nicht des Staates. Liebe kann man nicht verstaatlichen. Baader: «Verantwortung ist immer privat und an die Person gebunden. Kollektive Verantwortung gibt es nicht. Wer aber – wie der Staat – keine Verantwortung tragen kann, hat auch kein Recht, als moralische Oberinstanz aufzutreten.»

Wo der Staat seine Zuständigkeiten überdehnt, anstatt sich auf seine ureigenen Aufgaben zu konzentrieren und zu beschränken (innerhalb seiner Grenzen ein auf bewährten Werten ruhendes Rechtssystem durchzusetzen), endet es – über kurz oder lang – erst im Fiasko und dann möglicherweise in der Unfreiheit. Baader erinnerte an Mao Tse Tung. Dass dieser das Kollektiv zum Instrument des Guten machte, hat 60 Millionen Menschen das Leben gekostet. Viele von ihnen sind verhungert.

Die Kombination von Macht und Hypermoral bezeichnete Baader als «geradezu satanisch». Nicht ohne Grund sei Robespierres Moralwahn zur Schreckensherrschaft ausgeartet, zum Tugend-Terror. Wenn sich ein Staat anschickt, die Menschen verbessern zu wollen, sie moralisch zu dirigieren, einen «neuen Menschen» zu schaffen, ist der Totalitarismus nicht mehr fern. Die geschichtliche Erfahrung mit Stalin, Hitler und Pol Pot lehre, so Baader, dass der Traum vom kollektiven Guten zu Knechtschaft und Massenmord führe.

Der Niedergang der Sicherheit, Bildung, Medien und Moral, dessen wir heute Zeugen sind, hätte ihn nicht überrascht. Er hat das in seinen Büchern vorhergesagt. Der soziale Ort, an dem sich moralisches Handeln entwickelt, ist nicht der Staat und kein Kollektiv, das ist die Familie. Individualität und Verantwortlichkeit füreinander bilden sich in der Familie heraus – das war ein Eckstein im Denken von Roland Baader. Moral ist keine komplizierte theoretische Angelegenheit. Wenn sie wirklichkeitsnah und praktisch sein soll, sei das eine einfache Maxime: «Ich sorge für mich selber und meine Familie, auch damit ich nicht anderen zur Last falle und nicht auf deren Kosten lebe; (...) ich bewältige mein Leben und erwarte von niemandem, dass er es für mich bewältigt.»

Damit das gelingt, so Baader, bedarf es keiner (zusätzlichen) Gesetze, sondern der Einhaltung zivilisatorischer Regeln – die in der Familie vermittelt und vorgelebt werden. Der «fürsorgliche Staat» zerstöre mit der Familie die Gültigkeit dieser Regeln. Der folgende Niedergang ist allenthalben zu besichtigen. Die Politik löscht das Feuer mit Benzin, indem sie in alle Lebensbereiche hinein Gesetze erlässt. Immer enger werden die Winkel, wo ein Paragraf den Menschen erwartet. Sie werden scheinbar nötig, da zuvor die Familie diffamiert, geschwächt und untergraben wurde, in der sich Verantwortungsbewusstsein und Individualität (im Sinne von gesunder persönlicher Identität) entwickeln. «Genau diese Institution, die Familie, aber ist es, deren Zerstörung auf dem Herrschaftsprogramm des Staates steht, denn je mehr die Menschen auf den Staat angewiesen sind, desto grös-ser und mächtiger kann er werden. Er fürchtet nichts mehr als Leute, die ihn nicht brauchen und sich selbst helfen können.»

(Artikelauszug aus factum 03/2016)