Die Entzweiung, der Bruch, Unversöhnlichkeit, Krieg und Konflikte haben ihre tiefste Ursache in der Trennung von Gott. Was bedeutet das für den, der versöhnt mit anderen Menschen leben will?
Roman Nies
6. Oktober 2018

Ist echte, vollständige Versöhnung zwischen Menschen möglich, nachdem Unrecht begangen wurde, schwere Verletzungen entstanden sind? Oder bleibt es bei einer teilweisen Versöhnung, bei einem «bis hierher und nicht weiter»? Diese Frage mag sich jeder Einzelne ganz persönlich stellen: Gibt es auch bei mir ein «bis hierher und nicht weiter»? Und: Gibt es das sogar gegenüber Gott? Können wir nur unter Vorbehalt vertrauen? Und: Besteht zwischen der Verweigerung dem Nächsten gegenüber und der Verweigerung Gott gegenüber ein Zusammenhang? Kann ein Mensch «gottesreichkompatibel» sein, solange er nicht Gottes Versöhnungsfrieden in sich hat?

Versöhnung ist das Thema der Bibel. Sie ist Gottes Antwort auf den Streit, den Bruch, die Entzweiung, die es vorher gegeben hat. Adam und Eva wurden aus dem Garten Eden vertrieben, weil sie gesündigt hatten. Die Sünde ist der Bruch, der zur Folge hat, dass man keine Gemeinschaft mit dem heiligen Gott haben kann. Die Folgen der Sünden haben zum teils schleichenden, teils chaotischen Zerfall aller Ordnungen geführt. Die Menschen leben seither in Krieg, Krankheit und Konflikten aller Art und mit dem Menschen die gesamte Schöpfung. Die Folgen dieser Entzweiung, der Sünde, sind vor allem geistlicher Natur:

1.) Zuerst wendet der Mensch sein Angesicht von Gott ab, dann verbirgt er sich vor Ihm. Er schämt sich, weil er nackt und bloss ist (1. Mose 3,8–10). Er hat kein «Lichtkleid» an. Er tut so, als gäbe es Gott nicht – oder als sei Gott ganz anders. Er erschafft sich Ersatzgötter, die bezeichnenderweise die Heiligkeit Gottes nicht aufzuweisen haben. Doch das kostet viel. Unter anderem auch die Versöhnungsbereitschaft mit Gott, ohne die es keine Gemeinschaft mit Gott geben kann.

2.) Der Mensch wendet sein Angesicht aber auch trotzig gegen seinen Mitmenschen. Er wird rachsüchtig, eifersüchtig, neidisch, untreu, kriegs- und mordlüstern, unversöhnlich. Dafür müsste er sich ebenfalls schämen, aber er deutet die Werte um und wird infolgedessen immer schamloser. Dies geht wiederum einher mit dem Spott auf Gott und alles Göttliche. Für alles, was schiefgeht, ist immer der andere als Schuldiger auszumachen (1. Mose 3,11–13). Damit verliert der Mensch immer mehr die Fähigkeit zur Versöhnung.

3.) Der Mensch wendet sein Angesicht gegen den Rest der Schöpfung. Gottes Wille war ja, dass der Mensch über die Schöpfung haushalte und sie zum Erblühen bringe. Oft ist das Gegenteil der Fall und der Mensch schädigt die natürliche Umwelt. Er manövriert sich zunehmend selber ins Abseits des Unnatürlichen. Nicht nur, dass er gegen die Schöpfungsordnung verstösst, indem er beispielsweise die Sexualität missbraucht oder die Familien auflöst. Er lässt immer mehr Lebensvorgänge durch unbelebte Maschinen übernehmen und lebt zunehmend in einer künstlichen, entseelten Welt. Er entfremdet sich von der Schöpfung und damit auch weiter von Seinem Schöpfer.

4.) Der Mensch wendet sein Angesicht von sich selbst ab, denn das, was er im Spiegel betrachtet, ist seine eitle, selbstverliebte Maske. Er will gar nicht dahinterschauen. Er ist dazu verdammt, sich nicht für die Abgründe seines Herzens zu interessieren, um etwa heil werden zu können. Stattdessen richtet er sein Leben nach der Maxime ein: «Ich bin ganz in Ordnung, wie ich bin, nur mit den anderen ist etwas nicht in Ordnung!» Der Mensch wird sich selbst gegenüber oberflächlich und unehrlich. Er verliert Persönlichkeit und Echtheit. Er bleibt eine halbe Portion, mehr Schein als Sein. Er bleibt dabei, solange er nicht entdeckt, dass er nur in Christus eine vollständige Persönlichkeit werden kann.

Versöhnung mit sich, mit den Menschen und mit Gott – das fällt schwer, denn das Herz ist leichter dabei, der Sünde, dem Abfall, dem Nein zu Gott Raum zu geben. Die Geschichte der Menschheit ist keine Geschichte der Versöhnung, sondern der Entzweiung und Trennung. Für Adam und Eva gab es kein Zurück mehr in den Garten Eden (1. Mose 3,24); für Kain und Abel keine Verbrüderung (1. Mose 4,15); die Menschen der Sintflut kamen alle um (1. Mose 6,5–7); Abraham trennte sich endgültig von seinem Sohn Ismael (1. Mose 21,14–21); Jakob geht zwar auf Esau zu, aber er macht dann doch wieder einen Schritt zurück (1. Mose 33,4–17).

Kein Wunder, dass der Mensch bei so viel Trennungserleben, bei so viel Trennungsschmerz einer Sehnsucht Raum gibt. Er sucht nach Versöhnung, nach der Vereinigung mit allem Möglichen, nur nicht mit Gott. Er setzt auf Gleichheit, Vereinheitlichung, Gleichschaltung, Globalisierung und Multikulturierung, wenn nur nicht Gott darin vorkommen muss.

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 07/2018.