Dass für antisemitische Straftaten vor allem Rechtsextreme verantwortlich sein sollen, halten verschiedene jüdische Organisationen und prominente Einzelpersonen für falsch. Den Grund sehen sie unter anderem in irreführenden Polizeistatistiken, berichtet das «Göttinger Tageblatt»
factum-Redaktion
29. Juli 2020

Innenminister Seehofer sagte bei der Vorstellung der Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK), die Hauptquelle der antisemitischen Straftaten sei der Rechtsextremismus. Seine Aussage steht nicht nur im Widerspruch zu einer von seinem Ministerium veröffentlichten Studie, in der der muslimische Antisemitismus als Bedrohung anerkannt wird. Sie steht auch im Gegensatz zu einer repräsentativen Umfrage unter jüdischen Bürgern in zwölf EU-Staaten. Auch eine geheim gehaltene Studie des Verfassungsschutzes, über die die «Süddeutsche» berichtete, zeigt das Ausmass muslimischer antisemitischer Gewalt.

Dass der muslimische Judenhass kaum offen benannt wird, hat auch damit zu tun, wie die Statistiken geführt werden. Der «Unabhängige Expertenkreis Antisemitismus» legte in einem Bericht dar, dass antisemitische Straftaten, bei denen «keine weiteren Spezifika erkennbar» und «keine Tatverdächtigen» bekannt geworden sind (das ist ja meistens der Fall), jeweils dem Tatbereich «Politisch motivierte Kriminalität Rechts» zugeordnet werden. Nicht aufgeklärte Taten gelten automatisch als dem rechten Täterspektrum zugehörig.

Der Historiker Michael Wolffsohn kritisierte diese verfälschende Praxis. Der gewalttätige Antisemitismus komme heute nicht in erster Linie von rechts, «auch wenn die irreführenden Statistiken etwas anderes sagen». Er sei eng mit der Haltung des Antizionismus verbunden. «Teile der Mehrheitsgesellschaft», vor allem aus dem linken Spektrum, identifizierten sich «mit antijüdischen und antizionistischen Extremisten aus Arabien».

Meldung aus factum 04/2020.