Hebräisch zu lernen gilt als schwer. Der Sprachwissenschaftler Randall Buth, der 20 Jahre lang für Wycliffe die Bibel in afrikanische Sprachen übersetzt hatte, entwickelte eine einfache Methode.
Wolfgang Schuler
31. Mai 2019

Nicht wenige hegen den Wunsch, die Bibel einmal in ihrem hebräischen Original lesen zu können. Doch Hebräisch zu lernen gilt bei uns als sehr schwer, wenn nicht sogar als unmöglich. Dabei ist Hebräisch nicht etwa komplizierter als das Deutsche, im Gegenteil. Hebräisch ist sehr einfach aufgebaut und hat den Charme von Kindersprache. Mit einem Wortschatz von 800 Wörtern kann man schon die fünf Bücher Mose, die ersten fünf Bücher der Bibel, lesen. Das entspricht in etwa  dem Wortschatz eines dreijährigen Kindes. Was das Erlernen der hebräischen Sprache für uns dennoch so kompliziert macht, ist nicht ihre Schwierigkeit, sondern die Kompliziertheit, wie Hebräisch hierzulande dem Lernenden meist vermittelt wird. Meist geschieht das auf hohem sprachwissenschaftlichen Niveau, mit vielen Fachausdrücken und komplizierten Regeln und mindestens ebenso vielen Ausnahmen. Dabei kann man sich dieser Sprache auch einfacher, wie ein Kind, nähern, ohne viel Grammatik und ohne ausgefeilte Satzlehre. Dies führt zu einem ganz anderen Zugang, zwar in kleinen Schritten, aber mit einer umso grösseren Freude und einem tieferen inneren Verstehen des Herzens – genau so, wie ein Kleinkind sprechen lernt.

Dies alles musste ich erst über schmerzliche Umwege lernen. Überhaupt brauchte ich sehr lange, bis mir die Bedeutsamkeit und die Kostbarkeit der Texte der Heiligen Schrift endlich klar wurden. Aufgewachsen war ich in einem angesehenen katholischen Internat mit humanistischem Gymnasium, mit Musik und Religion als Hauptfach, damals für mich die Erfüllung eines Herzenswunsches. Alle Erzieher dort waren geweihte katholische Priester. Für diese schulische Ausbildung bin ich bis heute dankbar. Als Kind war ich zudem der katholischen Kirche im Herzen tief verbunden. Dies änderte sich im Laufe der Jahre.

Je näher das Abitur rückte, umso mehr litt ich unter der schmerzlichen Diskrepanz zwischen der vordergründigen Heiligkeit dieser katholischen Einrichtung und unserem erlebten Schüleralltag. Die täglich drohenden Prügelstrafen bei kleinsten Vergehen, etwa wegen «Schwätzens» während der Schulaufgabenzeit, waren noch die geringsten Übel. Mir war zuletzt bei allem Respekt vor der Kirche alles Kirchliche derart verleidet worden, dass ich nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Ich wollte danach nur noch weg und einen weltlichen Beruf erlernen, mit dem ich wenigstens den Menschen einen praktischen Dienst erweisen könnte, jenseits aller Religion. So entschloss ich mich, Medizin zu studieren. Das kostbare Evangelium hatte ich darüber ganz und gar aus dem Blick verloren.

Nach meinem Studium begann ich meine Facharztweiterbildung zum Frauenarzt. Gleichzeitig war ich nebenbei immer auch wissenschaftlich tätig. Die einzige seriöse Art von Medizin war für mich die rein wissenschaftlich begründete Medizin, bis mir klar wurde, dass die moderne Medizin trotz aller Fortschritte ständig an Grenzen stösst und keineswegs die ihr gestellten Probleme alle «im Griff» hat. So begann ich mich neben dem medizinischen Alltag auch mit alternativen Heilmethoden der verschiedensten Kulturen in Geschichte und Gegenwart zu beschäftigen. Dabei stiess ich nach langer Suche auf ein altes zeitgeschichtliches Dokument, das Neue Testament, das ich längst schon abgetan hatte.

Jetzt durfte ich erkennen, dass es wirklich so etwas wie ewiges Leben gibt, dass es Erlösung gibt und auch einen genauen Heilsweg dahin, alles bedeutsame Begriffe, von denen ich mich schon ziemlich weit entfernt hatte. Aber auch auf rein medizinischer Ebene entdeckte ich im Neuen Testament ein Heilkundekonzept ganz besonderer Art, mit einem viel umfänglicheren Heilkundebegriff als dem in der konventionellen Medizin. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und analysierte die Berichte nach herkömmlichen medizinischen Gesichtspunkten. Dabei stellte ich fest, dass alle heute noch bedeutsamen Krankheiten repräsentiert waren, in mehr als 70 Einzelfall-Beispielen quer durch alle Fachrichtungen und darüber hinaus.

Ich las die biblischen Berichte mit zunehmender Bewunderung, entdeckte den Reichtum der vielen verschiedenen Übersetzungen, die zusammen alle ein einheitliches Bild ergaben. Einen ähnlichen Reichtum fand ich später auch in den verschiedenen englischen Übersetzungen. Doch mit der bunten Vielfalt an Übersetzungen wuchs zugleich meine Sehnsucht, herauszufinden, was denn eigentlich im Original geschrieben steht, in den als Urtext anerkannten ältesten Handschriften der Heiligen Schrift, auf Griechisch, auf Hebräisch und teilweise auf Aramäisch, im Alten und im Neuen Testament. Diese beiden Bücher gehören schliesslich untrennbar zusammen.

Mit dem Griechisch des Neuen Testaments war es für mich etwas leichter, denn Griechisch gehörte zum Lehrplan unseres Gymnasiums. Ich besorgte mir ein zweisprachiges Neues Testament in Griechisch–Deutsch. Bevor ich mich erneut durch ein Lehrbuch quälte, entdeckte ich, dass ich mein verkümmertes Griechisch wieder aktivieren konnte. So las ich bald das gesamte Neue Testament in seiner ganzen Frische im griechischen Urtext nach, bis heute für mich eine tägliche Quelle der Freude.

Doch wie ist das mit Hebräisch? Das zu erlernen schien mir unmöglich. Damals glaubte ich, mir bei meinen vielfältigen beruflichen Verpflichtungen als Arzt täglich höchstens 15 Minuten Zeit für die Beschäftigung mit der Bibel gönnen zu können. Einen regulären Hebräisch-Kurs zu besuchen, fehlte mir die Zeit. So bestellte ich mir einfach mal ein Lehrbuch. Ich stürzte mich mit Eifer auf die Lehrtexte. Doch nach den ersten zehn Regeln und mindestens ebenso vielen Ausnahmen gab ich auf. Bei einem zweiten Lehrbuch ging es mir später genauso. Ein drittes Lehrbuch schien mir einfacher zu sein, doch auch hier folgte dieselbe Erfahrung. Mir schwirrte nur der Kopf und ich gab endgültig auf.

Doch dann passierte mir etwas Merkwürdiges. Ich besuchte damals eine neue evangelische Gemeinde und fühlte mich dort sehr wohl. Der Pastor war gerade von einer Predigt-Reise aus den USA zurückgekommen. Als er predigte, ausgestattet mit einem modernen Headset-Funkmikrofon wie ein smarter Entertainer, schwärmte er nur in einem fort, wie grossartig seine Predigten in Amerika ankamen, wie er von Gemeinde zu Gemeinde eingeladen worden sei, und dass er schliesslich ganze Stadien füllte. Da stand auf einmal eine junge Gläubige auf und rief mit voller Autorität in den Saal: «Pastor, du musst Busse tun! Gib Gott allein die Ehre!» Da herrschte plötzlich eisige Stille. Nach kurzer Verwirrung hatte sich der Pastor gefasst, verbot der Gläubigen das Wort, verwies sie des Saales und setzte seine Predigt noch eine ganze Weile im gleichen Stile fort.

Ich war innerlich wie gelähmt. Ich wartete nur noch auf das Ende des Gottesdienstes und wollte nie wieder in diese Gemeinde kommen. Zugleich aber war ich traurig, da ich diese Gemeinde schon sehr lieb gewonnen hatte. Am Ende des Gottesdienstes wollte ich einfach nur aufspringen und den Saal verlassen. Doch während ich mich erhob, war mir, als würde mir jemand leise, aber deutlich von hinten ins Ohr sagen: «Nicht traurig sein! Noch heute wirst du Hebräisch lesen und schreiben können!» Ich drehte mich um, doch da war niemand, kein Wunder, denn ich sass in der letzten Reihe. Ausserdem hatte ich in dieser Gemeinde noch niemandem gesagt, dass ich gerne Hebräisch lernen würde, dass dies aber zu schwer für mich sei. Meine Traurigkeit war wie weggeblasen. Ich ging zur Tür hinaus, erfüllt von Verwunderung und Freude, ging immer schneller und konnte kaum erwarten, was nun passieren würde.

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