Distanz zu den politischen Akteuren sowie das Bemühen um Objektivität und Fairness gehören zu den ethischen Maximen im Journalismus. Ein Bericht aus der Praxis zeigt, wie es heute aussieht.
Robert Redlich
18. April 2020

Seit nunmehr 30 Jahren arbeite ich als Redakteur einer Regionalzeitung. Was sich seit etwa zwei Jahren abspielt, wäre noch vor einem Jahrzehnt, geschweige denn zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit, undenkbar gewesen. Wöchentlich werde ich daran erinnert, dass das, was ich einmal gelernt habe, offensichtlich nichts mehr gilt. Es ist auch keine Selbstverständlichkeit mehr, dass eine Redaktion aus Kollegen mit unterschiedlichen Meinungen besteht. Objektivität und Distanz sind Begriffe, die in den Volontärs-Seminaren nicht mehr gelehrt werden. Stattdessen gilt es, die richtige Haltung zu zeigen und sich mit den anscheinend richtigen Meinungen einszumachen: gegen Trump, gegen Brexit, pro Abtreibung, pro Energiewende und CO2-Steuer, pro offene Grenzen, gegen christliche Werte, pro Fridays-for-Future etc. Was richtig ist, wird von linker Seite bestimmt und mit Vehemenz durchgesetzt. Wer anderer Meinung ist, wird sozial ins Abseits gestellt und diskreditiert.

Es war für mich 30 Jahre lang selbstverständlich, mich mit niemandem zu duzen, den ich aus meiner beruflichen Tätigkeit kenne – und mag er noch so nett sein. Ich trinke auch grundsätzlich keinen Alkohol bei beruflichen Terminen, auch nicht einen Schluck, und nehme keinerlei Geschenke oder Vorteile an, mögen sie noch so klein sein. Leider muss ich sehen, dass ein Grossteil meiner Zeitungs-Kollegen, und zwar aller Zeitungen, all dies über Bord wirft. Man duzt sich zwischen Journalisten und Regionalpolitikern von Grünen, SPD und Linken und ebenso mit Vertretern von Flüchtlingsorganisationen oder sonstiger linker NGOs. Da lässt man dann auch mal einen Artikel im Vorfeld «gegenlesen». Was zählt, ist die Zustimmung von der «richtigen» Seite. Und man möchte ja auch keineswegs in den Verdacht geraten, konservativ oder gar «rechts» zu sein.  

Es ist heutzutage nicht mehr opportun, kritische Fragen zu stellen – oder ich muss richtigerweise sagen, kritische Fragen an die linke Mehrheitsmeinung zu stellen. In zahlreichen Interviews, die ich zusammen mit Kollegen der Konkurrenzblätter führte, konnte ich erleben, wie man sich ohne entsprechende Rückfragen Stellungnahmen in den Block diktieren lässt.

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 02/2020.