Gender-Mainstreaming rüttelt an den Grundfesten unserer Gesellschaft. Als Christen stehen wir mitten im Kampf gegen Gottes gute Ordnungen. Mit Gottes Hilfe dürfen wir mutig für die Wahrheit einstehen.
Dr. phil. Susanne Roßkopf
15. Juni 2023

Wie eine Lawine überrollt «Gender-Mainstreaming» (nachfolgend GM) unsere Gesellschaften. Christen und Gemeinden zucken angesichts der Wucht dieser Revolution oft ratlos mit den Schultern. Die massiv hervorgebrachten Forderungen werden mit dem Etikett von Wissenschaftlichkeit versehen und viele Christen sehen sich verunsichert, ob und wie bibelorientierte Sichtweisen länger halt- und vertretbar sind. In diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, unter dem Brennglas einer historischen Einordnung Gender-Mainstreaming als das zu benennen, was es ist: eine Ideologie.

Fluide, formbar und flexibel

Ideologien sind das Bemühen, eine Art Meinungsherrschaft zu installieren, die auf der Basis bestimmter Weltbilder, Werte und Vorstellungen, Postulate und der Überzeugung von der Richtigkeit und Gültigkeit dieser Ideen und Konzepte beruht. GM ist insofern eine Ideologie, weil hier ein ganz bestimmtes Menschenbild postuliert und eine bestimmte Vorstellung von Gesellschaft proklamiert wird. Andere Überzeugungen, Meinungen, Sichtweisen werden abgelehnt, zurückgewiesen und ausgenutzt und zu diesem Zweck häufig auch mit Schmähworten und Verunglimpfungen bedacht.

Postulate dieser Genderideologie sind zum Beispiel erstens «Biologie ist nicht Schicksal!»1. Gemeint ist hier die Unterscheidung zwischen dem biologischen Geschlecht (engl. Sex), das in den allermeisten Fällen völlig unzweifelhaft und eindeutig ist, und dem «gefühlten» Geschlecht (engl. Gender). Diese sexuelle Identität und Orientierung sei fluide, formbar und flexibel. Zweitens: «Geschlechtsidentität ist eine kulturelle Konstruktion»2 und Heteronormativität3 entsprechend eine «Zwangsordnung»4. Der Schlüssel zu einem erfüllten Leben sei die Entdeckung der Androgynität als Grundausstattung eines jeden Individuums5. Drittens: «Man wird nicht als Frau geboren, man wird es.»6 Die Zuteilung der Rollen und Einweisung in die Ordnung sei keine biologische Ausstattung und auch keine gesellschaftliche Notwendigkeit, sondern der Versuch, die Dominanz der Männer zu befestigen. Entsprechend sei die Emanzipation der Frauen aus diesem Korsett möglich und erstrebenswert, müsse aber letztlich von den Frauen selbst organisiert werden, weil die Männer nicht willens seien, ihren Machtstatus preiszugeben. Und schliesslich viertens: «Gender ist eine herrschaftskritische Kategorie»7. Gender-Mainstreaming oder «doing gender» strebt deshalb die Entlarvung von Machtverhältnissen, die «Dekonstruktion von Rollenvorstellungen» und die Entlarvung der «Binarität der Geschlechter als Narrativ»8 an. Dies allerdings, und das ist ganz wichtig, ohne eine sachliche, wissenschaftlich notwendige Basis. Darauf weist auch die Biologin und Medizin-Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard hin.

Im Kern geht es um Machtverhältnisse: Wer hat das Sagen, wer bestimmt die Narrative, wer verleiht die Rollen, verfügt über Identität und bestimmt die Einweisung in die Gesellschaftsordnung? Wer verordnet Lebensentwürfe und leitet daraus Familienbilder ab, welche Ethik und Moral wird zum Leitbild und zur Leitkultur erklärt und wer hat überhaupt das Recht, bestimmte Massstäbe und Richtlinien zu verordnen? GM rüttelt an den Grundfesten unserer Gesellschaft. Doch das kam nicht über Nacht. Es ist das vorläufige Ende einer langen Entwicklung.

1    Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter (1990)
2    Ebd.
3    Der Begriff «Heteronormativität» meint die Vorstellung, dass die Aufteilung Mann/Frau (binäre Geschlechterordnung) als Norm, als normal» eingestuft wird – das wird von Vertretern der Genderideologie als eine Zwangsordnung, ein Korsett beschrieben.
4    Regina Frey, Begriffs – Konstruktionen in iz3w Redaktionsteam (Hg.) 2000
5    Der Begriff «Androgynität» meint dabei eine Art Geschlechtslosigkeit oder Neutralität bzw. eine Vermengung von männlich/weiblich ohne bestimmte Ausprägung. Elisabeth Badinter, Ich bin Du (1987): «In Wirklichkeit sind wir alle Androgyne ... In jedem von uns sind Männliches und Weibliches ineinander verflochten.»
6    Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht (1949)
7    Regina Frey, a. a. O.
8    Der Begriff «Binarität der Geschlechter» meint die Aufteilung in männlich/weiblich: dies wird als Narrativ erklärt, die rein biologische Ausstattung (geboren mit eindeutigen Geschlechtsmerkmalen) gebe keine Auskunft über die Identität.

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 04/2023