Kritiker sagen, Mose habe noch kein Alphabet gehabt, sei kein Bibel-Autor. Der Dokumentarfilmer Timothy Mahoney hat sich zu diesem Thema auf eine spannende Reise begeben – mit bemerkenswerten Ergebnissen.
Bettina Hahne-Waldscheck
22. November 2019

Bibelgläubige Christen haben eigentlich nie daran gezweifelt: Mose ist der Autor der ersten fünf Bücher Mose, auch Thora oder Pentateuch genannt. Doch hört man sich mal weltweit an den theologischen Fakultäten um, so herrscht die Meinung vor, dass die Thora erst lange nach Moses Tod von verschiedenen Autoren aufgeschrieben worden sei (vgl. Quellenscheidungstheorie oder Urkundenhypothese). Selbst in manchen evangelikalen Seminaren findet diese Meinung Verbreitung. Ein Grund dafür: Mose habe noch gar kein Alphabet gehabt, also hätte er gar nicht schreiben können. Viele vertreten die Ansicht, dass sich das althebräische Alphabet erst im 10. Jahrhundert vor Christus entwickelte.

Für den in einem bibelgläubigen Zuhause aufgewachsenen Regisseur Timothy Mahoney war das eine erschütternde Entdeckung. «Da der Rest der Bibel auf den Schriften des Mose aufbaut, ist die Glaubwürdigkeit des Exodus und der gesamten Bibel direkt mit der Frage nach Moses Autorschaft verbunden. Wenn Mose nicht die Thora geschrieben hat, welchen Aussagen der Bibel können wir dann noch vertrauen?», fragte sich Mahoney. Die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Bibel wurde für ihn aus persönlichen Gründen so wichtig, dass er sich ganze 14 Jahre lang auf die Suche nach Belegen machte und bahnbrechende Entdeckungen zutage brachte, die für Christen als Grundlage zur Verteidigung des eigenen Glaubens wichtig sind.

In seinem ersten Film «Patterns of Evidence: Auf der Suche nach den Spuren des Exodus» ging es Timothy Mahoney darum zu zeigen, dass sich der Auszug aus Ägypten und der Aufenthalt der Israeliten als Sklaven dort wirklich ereignet hat. In seinem neuen Film «Patterns of Evidence: Die Mose-Kontroverse» steht die Suche nach dem frühesten Alphabet im Mittelpunkt und die Frage, ob Mose eine Schrift zur Verfügung stand, mit der er die Thora schreiben konnte.  

Kaum jemandem ist heute noch bewusst: Das Alphabet ist ein Geniestreich! Mit nur 26 Buchstaben lassen sich alle Wörter, alle Gedanken der Welt ausdrücken. Es ist für jeden kinderleicht zu erlernen, und jeder erhält dadurch Zugang zum weltweiten Wissen aller. Das war vor der Erfindung des Alphabets anders. Hieroglyphen zu erlernen war eine jahre- oder jahrzehntelange Mühsal, die sich nur eine kleine Elite leisten konnte. Wenn Mose nur die zu seiner Zeit existierenden ägyptischen Hieroglyphen zur Verfügung gestanden hätten, dann hätte er kilometerlange Papierrollen gebraucht, um die Thora zu schreiben, und seine Anweisung an die Israeliten, das Gesetz zu lesen, hätte nicht funktioniert. Es brauchte so etwas Revolutionäres wie das Alphabet, etwas, das jeder Israelit lesen konnte. Wann das Alphabet erfunden wurde, ist deshalb so ausschlaggebend, weil auf der Thora-Skepsis und der Annahme, dass Mose nicht der Autor der ersten fünf Bücher sein kann, die ganze moderne Bibelkritik aufbaut.

Professor William Dever zum Beispiel, einer der führenden Archäologen in den USA, spezialisiert auf die frühe Geschichte Israels, behauptet: «Ich glaube nicht, dass irgendwer noch die Ansicht vertritt, dass Mose die Thora schrieb.» Mit ihm übereinstimmen Donald Redford, Archäologe der «Penn State University», sowie Douglas Knight, Professor Emeritus der «Hebrew Bible Vanderbilt Divinity School». Interessant ist: Diese drei Bibel-Wissenschaftler und Bibel-Archäologen waren alle einmal bibelgläubige Menschen. Aufgrund der wissenschaftlichen Forschungslage, die sie sich zu eigen machten, fielen sie von ihrem Kindheitsglauben ab. Wie ihnen geht es Tausenden Menschen heute, die ihren Glauben verloren, weil sie der Ansicht vertrauten, nach der die Geschichten der Thora auf mündlichen Traditionen beruhen, die über die Jahrhunderte beim Weitergeben mit viel Fantastischem ausgeschmückt und dann irgendwann von verschiedenen Autoren zu Papier gebracht wurden.

In der Thora steht, wie Gott die Welt erschaffen hat, wie die Israeliten durch Joseph nach Ägypten kamen, wie sie zu Sklaven wurden, dann unter Mose aus Ägypten auszogen, das Schilfmeer durchquerten und zum Berg Sinai kamen, um Gott zu begegnen. Von ihm erhielten sie die Zehn Gebote, noch heute die Grundlage unserer Kultur und Gesetzgebung, und zogen weiter in das Land Kanaan. Die Bibel bezeugt, dass dies alles von Mose aufgeschrieben worden ist – als Augenzeugenbericht. Gott selber gab ihm mehrmals den Auftrag: «Schreibe dies in ein Buch!» (z. B. 2. Mose 17,14). Und weiter heisst es: «Da schrieb Mose alle Worte des Herrn nieder» (2. Mose 24,4). Jesus beruft sich später mehrmals auf Mose und zeigt, dass er selbst Moses Schriften voll vertraute: Er sagte: «Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?» (Joh. 5,46–47). Die Glaubwürdigkeit der gesamten Bibel hängt also damit zusammen, ob Mose einen Augenzeugenbericht aufschreiben konnte oder nicht.  

Regisseur Tim Mahoney nimmt die Zuschauer mit auf eine spannende Reise durch Israel, Jordanien, Ägypten, Europa und die USA, um Antworten zu finden. Dabei trifft er neben den genannten Skeptikern auch viele gläubige Wissenschaftler, die an Moses Autorschaft der Thora festhalten. Peter Gentry, Professor für Altes Testament am «Southern Baptist Theological Seminary», zum Beispiel sagt: «Viele Wissenschaftler heute greifen einfach nicht die neuesten Forschungsergebnisse auf. Es zeigt sich, dass die Kriterien, die zur Etablierung der Urkundenhypothese oder Quellenscheidungstheorie geführt haben, falsch waren.» Mahoney spürt auf, dass viele Gelehrte nicht unvoreingenommen an eine etablierte Theorie herangehen. Oft suchen sie die Fakten, die zur Untermauerung ihrer Theorie dienen, und schenken den anderen keine Beachtung. Auffällig ist, wie oft die Wissenschaftler formulieren: «Mein Professor hat gesagt», statt selbst zu recherchieren, erörtern Mahoney und Professor Peter Gentry im Interview.

Was die These, dass Mose noch kein Alphabet kannte, erschüttert, sind zwei bemerkenswerte Funde in der Wüste Sinai und in Ägypten.

Lesen Sie den ganzen Artikel in factum 09/2019.